MundART WERTvoll

Mundartgrenzen – Grenzenlose Mundart

Kooperationsprojekt zwischen dem Karl-von-Closen-Gymnasium
und dem Ortenburg-Gymnasium Oberviechtach

Stefan Schießl

Das „Wertebündnis Bayern“ und sein Teilbereich „MundART WERTvoll“
Demokratie, Teamgeist, Verantwortung – welche Werte zählen? Junge Menschen über Wertefragen zum Nachdenken anregen, mit ihnen diskutieren und sie zum Handeln ermuntern – das will das im März 2010 auf Initiative von Ministerpräsident Horst Seehofer gegründete „Wertebündnis Bayern“. Hierzu organisiert es verschiedene Projekte, etwa in den Bereichen Mundart, Demokratiebildung, Medienkompetenz und interkulturelle Kommunikation.
Unter dem Titel „Mundartgrenzen – Grenzenlose Mundart“ beteiligte sich unser Gymnasium in diesem Schuljahr mit einem facettenreichen Projekt am Wertebündnis Bayern bzw. an dem als „MundART WERTvoll“ bezeichneten Teilbereich. Dieser hat es sich zum Ziel gesetzt, die durch den Dialekt zum Ausdruck gebrachte Verbundenheit von Kindern und Jugendlichen mit ihrer Heimat aufzugreifen und zu fördern. Die Beherrschung und der Einsatz von Dialekten im situativen Sprachgebrauch sollen als Stärke und Bereicherung für den Mundartsprecher erkannt und gepflegt werden.

Wertebündnis Bayern

MundART WERTvoll

Ziel des Kooperationsprojekts „Mundartgrenzen – Grenzenlose Mundart“
Wie es der Titel „Mundartgrenzen – Grenzenlose Mundart“ zum Ausdruck bringt, wurde bei dem am Closen-Gymnasium durchgeführten Projekt der ausgeprägten Vielfalt an Mundartgebieten, durch die sich die sprachliche Situation des Freistaates Bayern auszeichnet, nachgespürt. Zu diesem Zweck wurde das Vorhaben als Kooperationsprojekt organisiert, bei dem die Eggenfeldener Schüler und Lehrer eng mit Gleichgesinnten des in der nördlichen Oberpfalz gelegenen Ortenburg-Gymnasiums Oberviechtach zusammenarbeiteten. Genauer gesagt, bestand das Ziel des Projekts zwischen den beiden Kooperationspartnern als exponierten Vertretern ihrer beiden Dialektlandschaften darin, die spezifischen Merkmale des Mittelbairischen (Karl-von-Closen-Gymnasium Eggenfelden) und des Nordbairischen (Ortenburg-Gymnasium Oberviechtach) sowie ihre Gemeinsamkeiten und Unterschiede herauszuarbeiten. Initiiert und konzipiert wurde das Vorhaben von dem Oberviechtacher Gymnasiallehrer und Dialektologen Dr. Ludwig Schießl. Die gewonnenen Ergebnisse sollten durch verschiedene Präsentationsformen vielgestaltig veranschaulicht und im Rahmen von zwei Abendveranstaltungen in Eggenfelden (30. Juni 2016) und Oberviechtach (07. Juli 2016) allen Interessierten dargeboten werden.

Sprachatlaskarte

Der „Tag des Dialekts“
Mit dem „Tag des Dialekts“ trat das Projekt im Februar in die „heiße Phase“. Eine Gruppe von Schülern und Lehrern des Oberviechtacher Gymnasiums machte sich auf den Weg nach Eggenfelden, um in Zusammenarbeit mit den Beteiligten des KvC die Abschlusspräsentationen zu planen und vorzubereiten. In einführenden Sitzungen und mehreren Workshops wurden die verschiedenen Teilbereiche des Gesamtprojekts sowohl inhaltlich als auch organisatorisch erörtert und auf den Weg gebracht. Mit als externer Partner von der Partie war Alois Dicklberger M.A., ein Mitarbeiter am Sprachatlas von Niederbayern an der Universität Passau. Für alle geplanten Vorhaben wurden schließlich Schülergruppen gebildet, die in den darauffolgenden Wochen die sie betreffenden vorbereitenden Aufgaben durch- bzw. weitergeführt haben.

Impressionen Tag des Dialekts

Impressionen Tag des Dialekts

Die Mundart-AG bei Dialektforscher Prof. Dr. Anthony Rowley
Ein wesentlicher Bestandteil des Projekts war das Sammeln und Auswerten von typischem Dialektwortschatz, also solcher Wörter, die in der Standardsprache keine unmittelbare Entsprechung haben und deshalb zu ihrer „Übersetzung“ der Erklärung bedürfen. Beispiele wären hierfür etwa die Begriffe „Haigaing“, „Dschãmsterer“, „Gsoad“ oder „zwerchsackerbief“. Möchte man nicht nur die genaue Bedeutung solcher Dialektwörter in Erfahrung bringen, sondern auch ihre sprachliche Entwicklung nachvollziehen, dann ist in der Regel auch die ältere Generation überfragt und es ist notwendig, einen Experten zu konsultieren. Einer der wohl renommiertesten auf diesem Gebiet ist Prof. Dr. Anthony Rowley, der die in der Bayerischen Akademie der Wissenschaften beheimatete Kommission für Mundartforschung leitet und für die Herausgabe des Bayerischen Wörterbuches verantwortlich zeichnet. Eine kleine Gruppe von Schülern der im Rahmen des Projekts gegründeten Mundart-AG hatte schließlich die Möglichkeit, ihn in seinem Büro zu besuchen, um mit ihm über die Ergebnisse ihrer Forschungen zum Dialektwortschatz im Raum Eggenfelden zu sprechen.
Mit ihm zusammen machten sie Videoaufnahmen, die als ein Programmpunkt bei der Abschlussveranstaltung des Projekts allen Interessierten gezeigt werden sollten. Anders als für die Schüler war dies für Prof. Rowley keine neue Situation, ist er doch täglich in der Sendung „Wir in Bayern“ des Bayerischen Fernsehens als Experte in der Rubrik „Host mi?“ zu sehen. Wortgewandt und gestenreich löst er vor den unzähligen Schubläden der Regale seines Büros, die allesamt mit Zetteln aus Wortschatzerhebungen gefüllt sind, das im Rahmen dieser Rubrik stattfindende bayerische Wörter-Raten auf. Diese Kulisse diente auch bei den Aufnahmen der KvC-Schüler als Schauplatz der Wortschatzerklärungen.

Professor Rowley

Besuch bei Professor Rowley

Abschlusspräsentation des Projekts in Eggenfelden
Nach langer Vorbereitungszeit war es dann Ende Juni endlich so weit – die Schüler des Karl-von-Closen-Gymnasiums und des Ortenburg-Gymnasiums Oberviechtach präsentierten in der Aula allen Interessierten die im Laufe des Schuljahres erarbeiteten szenischen, digitalen, filmischen, literarischen und musikalischen Beiträge. Besonders einprägsam war dabei wohl der Unterschied in der Lautung, spricht man doch in Oberviechtach viele Wörter ganz anders aus, als es für Eggenfeldener Ohren gewohnt ist. Dieser Umstand wurde im Eingangssketch des Abends aufgegriffen und bildete in der sich anschließenden fiktiven Deutschstunde den Aufhänger für die Beschäftigung mit den beiden Dialektgebieten. Dabei wurden die Zuschauer von der Projektgruppe „Darstellung“, die ihren Part unter der Leitung von Kornelia Dannenböck und unter der Mitwirkung von Johannes Bäumel einstudierte, anschaulich zu den Themen Dialektgeographie, Lautung und Wortschatz informiert. Die sich anschließenden filmischen Beiträge vertieften vor allem den Aspekt „Dialektwortschatz“ und gaben Erläuterungen zu Begriffen wie „Dschãmsterer“, „zwerchsackerbief“ oder dem in Oberviechtach gebräuchlichen „Gooch“. Verantwortlich zeichnete hierfür die Mundart-AG mit den beiden Lehrkräften Bernhard Maier und Stefan Schießl.
Unmittelbar vor und nach der Pause „duellierten“ sich Schüler der Eggenfeldener Chorklassen mit Oberviechtacher Schülern durch selbst geschriebene Gstanzln beziehungsweise gaben einen aktuellen Chart-Hit (Oamoi um d‘ Wejd) in bairischer Version zum Besten. Korbinian Angerer und Katrin Schäufl (Oberviechtach) hatten hierfür mit ihnen geprobt. Im Deutschunterricht in Mundart verfasste Texte und Sketche bildeten anschließend den Inhalt der von Schülern der 8. Jahrgangsstufe gestalteten Mundartlesung. Die Deutschlehrer Johannes Bäumel (Klasse 8D) und Dr. Nadine Kilgert-Bartonek (Oberviechtach) hatten vor diesem Hintergrund den Lehrplaninhalt Dialekt in ihrem Unterricht ausführlich thematisiert.
Die interessanten und unterhaltsamen Beiträge der Schüler wurden durch einen Auftritt des Turmtheaters Regensburg abgerundet. Mit Szenen aus dem erfolgreichen Stück „Mei Fähr Lady“ sorgten der bekannte Mundartforscher Prof. Dr. Ludwig Zehetner und die Schauspielerin Eva Sixt für große Erheiterung beim Publikum, wobei auch hier der informative Charakter der Abschlusspräsentation nicht außer Acht gelassen wurde. Ein von Schülern beider Schulen vorgetragenes Musikstück beendete schließlich die von den beiden Schülerinnen Johanna Preisinger und Lisa Limmer moderierte Veranstaltung. Ihr Ziel war es, die Wertschätzung gegenüber den bayerischen Dialekten als Ausdruck von Lebensgefühl, Identität und Vielfalt deutlich zu machen und ihre Beherrschung als Bereicherung auszuweisen.


KvC-Schüler begeistern im Bayerischen Landtag

Große Kulisse bei der Abschlussveranstaltung von MundART WERTvoll

Stefan Schießl

Der Auftritt der Schülergruppe aus Eggenfelden (links) und Oberviechtach mit dem „Gstanzl-Singen“.

Mit den beiden Abendveranstaltungen in Eggenfelden (30. Juni 2016) und Oberviechtach (07. Juli 2016) fand das groß angelegte Mundartprojekt zwischen dem Karl-von-Closen-Gymnasium Eggenfelden und dem Ortenburg-Gymnasium Oberviechtach im Schuljahr 2015/16 einen tollen Abschluss; die Darbietungen und Präsentationen der Schülerinnen und Schüler fanden allenthalben viel Beachtung.
Durchgeführt wurde dieses Mundartprojekt im Rahmen von MundART WERTvoll des von Ministerpräsident Horst Seehofer initiierten Wertebündnisses Bayern. Neben den beiden Gymnasien aus Eggenfelden und Oberviechtach haben in den vergangenen beiden Entwicklungsjahren von MundART WERTvoll Schulen an acht weiteren Standorten in ganz Bayern Projekte in diesem Rahmen durchgeführt, alle mit der Zielsetzung, bayerische Dialekte als Ausdruck von Lebensgefühl, Identität und Vielfalt im Bewusstsein zu verankern und ihre Beherrschung als Stärke auszuweisen.

Die beiden Moderatorinnen Johanna Preisinger (links) und Lisa Limmer im Gespräch mit Bildungsstaatssekretär Georg Eisenreich über Wert und Bedeutung des Dialekts.

In diesem Schuljahr nun, genauer gesagt am Freitag, den 28. Oktober 2016 fand im Senatssaal des Bayerischen Landtags schließlich die Abschlusspräsentation aller an MundART WERTvoll beteiligten Schulen statt. Vor einer großen Kulisse von Schülern und Ehrengästen präsentierten die Vertreter der betreffenden Schulen ausgewählte Beiträge aus ihren Projekten. Als Repräsentant des Kultusministeriums war Staatssekretär Georg Eisenreich anwesend. Bei der damit einhergehenden Evaluation durch Prof. Dr. Klaus Wolf von der Universität Augsburg erhielt das Projekt zwischen Eggenfelden und Oberviechtach die beste Bewertung aller Teilnehmer.
Bereits am frühen Morgen musste die Schülergruppe des Closen-Gymnasiums nach München aufbrechen, da vor der Präsentation am Nachmittag noch die Generalprobe anstand. Diese war von einem großen Engagement und einer vorbildlichen Disziplin der insgesamt 138 mitwirkenden Schülerinnen und Schüler geprägt.

Jonas Maier beim Vortrag seiner selbst verfassten Geschichte.

Der Beitrag der beiden kooperierenden Gymnasien aus Niederbayern und der Oberpfalz bestand zum einen aus einem „mundartlichen Gegeneinandner-Ansingen“ in Form von Gstanzln, wobei das eine oder andere typische Charakteristikum der beiden Schulen und Landstriche auf humorvolle Art und Weise zum Tragen kam bzw. auf die Schippe genommen wurde; zum anderen hatte Jonas Maier mit seiner im Deutschunterricht in Mundart selbst verfassten Geschichte die Ehre der letzten Präsentation des offiziellen Teils der Veranstaltung.
Moderiert wurde die Abschlussveranstaltung von den beiden Oberstufenschülerinnen Lisa Limmer und Johanna Preisinger, die bereits bei der Abendveranstaltung in Eggenfelden auf erfrischend-souveräne Art und Weise durch das Programm führten und dabei die Verantwortlichen von MundART WERTvoll derart beeindruckten, dass sie auch für die Präsentation im Maximilianeum „verpflichtet“ wurden. Am Nachmittag zur offiziellen Aufführung stießen auch die beiden Schulleiter Markus Enghofer und Ludwig Pfeiffer (Oberviechtach) dazu und hatten ihre Freude an dem gelungenen Auftritt ihrer Schüler.

Die Eggenfeldener „Gstanzl-Singer“ mit ihrem selbst gemachten Plakat in Nahaufnahme.

Was von Prof. Wolf in seinem Gutachten vor allem gewürdigt wird, ist die Tatsache, dass das Projekt zwischen Eggenfelden und Oberviechtach als einziges „direkt und zentral Sprachgrenzen beziehungsweise dialektale Übergangsräume“ thematisiert. „Damit setzt das Doppelprojekt fachlich und methodisch Maßstäbe, denn die Übertragbarkeit auf vergleichbare Grenzräume in Bayern ist evident.“
Bei dem abschließenden Empfang im Steinernen Saal hatten die Schüler, Lehrer und Ehrengäste die Gelegenheit, sich in zwanglosem Rahmen über das Erlebte auszutauschen, neue Kontakte zu knüpfen und weitere Pläne zu schmieden.

Schnappschuss vom abschließenden Stehempfang mit Vertretern der beiden Gymnasien und einem Ehrengast. Von links: Schulleiter Markus Enghofer, Dr. Ludwig Schießl, Lisa Limmer, Schulleiter Ludwig Pfeiffer, Prof. Dr. Ludwig Zehetner, Johannes Bäumel, Stefan Schießl, Korbinian Angerer und Johanna Preisinger.