Dass Literatur nicht nur in verstaubten Reclambändchen daherkommt, bewies Marty Sennewald bei einer Lesung am Mittwoch, den 29.03. vor mehreren zehnten Klassen des Karl-von-Closen-Gymnasiums. Dabei stellte er sein Romanprojekt „Held“ vor.
Der 32-Jährige ist derzeit Stadtschreiber in Burghausen, das heißt, er bekommt ein Stipendium, um sich ganz auf seine Arbeit am Buch konzentrieren zu können. Er erläuterte, dass diese zunächst einmal darin bestand, Feldpostbriefe auszuwerten, die er auf dem Speicher seiner ehemaligen Kindergärtnerin in seinem Heimatort Sondershausen in Thüringen gefunden hatte. Geschrieben hatte sie der 17-Jährige Helmut Herbert Horst Held, der 1943 eingezogen und in Frankreich für die Panzerdivision ausgebildet wurde, bevor er 1944 bei einem Bombenangriff starb. Er war nur einer von vielen Soldaten, die Briefe von der Front in die Heimat schickten. Sennewald ließ die Schülerinnen und Schüler schätzen, wie viele Feldpostbriefe es insgesamt gewesen seien und nur allmählich näherten sie sich der Zahl 30.600.000.000.
Nachdem der Autor die in altdeutscher Schrift verfassten Briefe Helds entschlüsselt hatte, was noch an Sennewalds Wohnort Berlin neben der Promotion geschah, begann er mit der literarischen Gestaltung der Vergangenheit. Der Autor lässt einen Ich-Erzähler auftreten, der sich auf die Spuren des Protagonisten Held begibt und immer wieder reflektiert, wie schwierig es ist, die Vergangenheit zu rekonstruieren. Held selbst kommt in seinen Briefen zu Wort, die er an seine Mutter geschrieben hat.
Bei der Lesung diskutierte Sennewald mit den Zehntklässlern über den Begriff „Held“ und stellte heraus, dass sein Protagonist eben keiner ist, der außergewöhnliche Taten vollbracht hat. Er habe nicht einmal an einem Gefecht teilgenommen. Gerade die Tatsache, dass der junge Soldat ein „Zaungast des Weltgeschehens“ gewesen sei, fasziniert ihn.
Die Schüler nutzten die Gelegenheit, dem jungen Autor Fragen zu seiner Arbeit zu stellen und sind gespannt auf das Ende des Romans. Diesen kann Sennewald auch dank des mit 4000€ dotierten Gustav-Regler-Förderpreises fertigstellen, den er letzte Woche erhielt.
Anna Raschick